Arno Wand
Das Eichsfeld als Bischölfliches Kommissariat 1449-1999. Ein Amt macht
Geschichte
Studien zur Katholischen Bistums- und
Klostergeschichte (Band 41). Leipzig 1999; St. Benno-Verlag
229 Seiten einschließlich Index und Literatur- und Abkürzungsverzeichnis und
mit 43 Abbildungen
ISBN 3-7462-1349-5; Ladenpreis: 19,80 DM; im Jahr 2000 in zweiter Auflage
mit kleineren Ergänzungen bzw. Korrekturen erschienen.
Arno Wand ist seit fünfzehn Jahren in der thüringischen
Kirchengeschichte publizistisch tätig. Die vorgelegten Arbeiten zeigen stets
einen lokalen Bezug zu der als katholischer Seelsorger jeweils zu
betreuenden Pfarrgemeinde (Nordhausen und Heiligenstadt; vgl. z. B. "Der
Dom zum Heiligen Kreuz in Nordhausen. Aus der Geschichte einer Kirche und
ihrer Gemeinde". Leipzig 1986); 1996 folgte "Das katholische
Reichsstift zum Heiligen Kreuz in Nordhausen und seine Auseinandersetzung
mit der evangelischen Reichsstadt 1648-1802".
1998 veröffentlichte er die Studie "Reformation,
katholische Reform und Gegenreformation im Kurmainzischen Eichsfeld"
(1520-1648) bei Cordier in Heiligenstadt, am Ort seiner derzeitigen
Pfarrstelle, im hiesigen St.-Vincenz -Krankenhaus.
Nun fügt Wand eine weitere Monographie über die Geschichte
des Bischöflichen Geistlichen Kommissariats, insbesondere aus Sicht von
Heiligenstadt, dem Hauptort des ehemals kurmainzischen Eichsfeldes, der
heimat- und landeskundlichen Geschichtsschreibung hinzu.
Wand rückt in das Zentrum seiner Betrachtungen das
Heiligenstädter Kommissariatsamt, gleichsam exemplarisch und läßt an diesem
die überregionale kirchenpolitische Entwicklung vorbeiziehen.
Das Werk gliedert sich nach den notwendigen einleitenden
Äußerungen (Begriffliches, Thematisches und Forschungsstand, S.
17-21) in fünf logisch strukturierte Hauptteile.
Einen Exkurs zum Untereichsfeld-Kommissariat nach 1825,
von 1847 an mit ständigem Sitz in Duderstadt, bietet das fünfte und letzte
Kapitel (S. 197-205). Da diese seit 1816 - durch die kirchenpolitische
Trennung des Eichsfeldes begründet - existierende Behörde, als Pendant zur
obereichsfeldischen Einrichtung, ab 1824 zum Bistum Hildesheim gehört,
erklärt sich deren periphere Beschäftigung.
Recht knapp ist der von 1930 bis 1994 bzw. bis heute
reichende vierte Abschnitt (Seite165-196) gegenüber den vorherigen Kapiteln
gehalten. In ihm werden die prägnanten Ereignisse mit den handelnden
Personen beleuchtet. Die verwendeten gedruckten Aussagen beruhen zu einem
nicht geringen Teil auf Zeitzeugen; ein Faktum, das sich jeder Chronist
wünscht. Es geht dem Autor nicht um eine ausführliche Darstellung der
Verhältnisse ab 1930 als vielmehr um die eindeutige Vermittlung der
derzeitigen Amtsbefugnisse und Vollmachten des Kommissariats, die sich im
Laufe der Jahrhunderte verändert haben. Diese sind nicht unerheblich durch
die Abläufe in der Weimarer Republik und durch jene der beiden sich
anschließenden deutschen Diktaturen - Drittes Reich und DDR - beeinflußt
worden.
Als ein bedeutsames Ergebnis seines Buches notiert Wand (Zusammenfassung,
S. 212) hinsichtlich der noch heute verbliebenen Fakultäten "Das in
dieser Studie bearbeitete Amt des im allgemein geltenden Kirchenrecht nicht
vorgesehenen Amtes des Kommissarius hat m. E. eine gewisse Entsprechung in
dem vom Vaticanum II geschaffenen Amt des Bischofsvikars. Dieser besitzt
ordentliche, stellvertretende Leitungsvollmacht im Bereich der Exekutive für
ein territorial, personal oder funktional begrenztes Aufgabengebiet. Dieses
(Aufgabengebiet) ist vom Diözesanbischof inhaltlich näherin zu umschreiben.
CIC c. 134 §§ 1 und 2".
Als das Charakteristikum für die Kompetenz eines
bischöflichen Kommissarius benennt der Autor in erster Linie - zumindest
derzeit - zu recht die Präsenz und Repräsentation des in Erfurt
residierenden Bischofs vor Ort, im thüringischen Gebiet des Eichsfeldes.
Die nachvollziehbare Schilderung der Wegstrecke, das
dieses Amt bis zu dem obigen Istzustand durchlaufen hat, die Auslotung des
theologisch-juristisch sich wandelnden Bedeutungsinhaltes der Behörde
Bischöfliches Geistliches Kommissariat, ist das eigentliche Verdienst
der Arbeit.
In den Kapiteln eins bis drei, den umfangreichsten der
Publikation, läßt Wand eine Vielzahl von Originalquellen - die er
vornehmlich aus dem Archiv des Bischöflichen Geistlichen Kommissariats
Heiligenstadt und aus dem Wiener Haus-, Hof- und Staatsarchiv - entnommen
hat - sprechen. Damit gewinnen die Ausführungen an Plastizität und Spannung
und zeichnen originäre Konditionen nach. Der aufmerksame Leser wird
aufgefordert, die intellektuelle Beschäftigung zu suchen; er kann einen
aktiven Part übernehmen.
Wand berichtet am Beginn (S. 22 ff.) der Untersuchung über
die Wurzeln der Erzbischöflichen Kommissare des Eichsfeldes. In diesem
Zusammenhang stellt er erstmals den lateinischen Urtext der
Anstellungsurkunde des ersten nachweisbaren Kommissarius Heiso Krauwel für
die Propsteien Heiligenstadt, Nörten und Einbeck vom 24.07.1449
(Staatsarchiv Würzburg; Mainzer Ingrossaturbuch 26, fol. 8) als Abbildung
der Öffentlichkeit vor (s. Anhang). Aufgrund dieses Zeugnisses läßt
die Forschung seit 1897 die Geschichte des Kommissariats Heiligenstadt mit
dem Jahr 1449 einsetzen.
In den folgenden Epochen (Reformation, Dreißigjähriger
Krieg etc.; ab S. 33 ff.) bis zur Gegenwart änderte und ändert sich häufig
dessen Kompetenzbereich, über den Höhepunkt der Amtsvollmachten im 17. und
18. Jahrhundert (S. 50 ff.) bis zum Verlust der Gerichtsbarkeit im 19.
Jahrhundert (S. 132) und der oben beschriebenen jetzigen Situation; eine
Tatsache, die sicherlich auch in der Zukunft Bestätigung erfahren wird, da
das Bischöfliche Geistliche Kommissariat Heiligenstadt als eine der ältesten
Behörden des Eichsfeldes und Mitteldeutschlands heute noch amtiert.
Wand versucht stets den kirchenrechtlich relevanten
Rahmen, in denen sich das Kommissariat zu den verschiedenen Zeiten
einzufinden hatte, aufzuspüren und unter rechtsgeschichtlichen Aspekten zu
definieren.
Die kirchenpolitische Zäsur um und nach 1802 (S. 87 ff.),
die endlich zur Trennung des Eichsfeldes in das Ober- und Untereichsfeld mit
all den Konsequenzen führte, ist für mein Dafürhalten für den
Wenigerkundigen zu diffizil erörtert, so daß das Wesentliche dem genannten
Leserkreis verborgen bleiben könnte. Mir ist klar, daß Übergänge nicht
starr, vielmehr fließend verlaufen.
Ähnliches läßt sich zu der Abfolge der Amtsinhaber sagen;
auch hier hätte eine klarere Abgrenzung für den Buchbenutzer erfolgen
können, um das "lästige" Blättern im Index (ab S. 213 ff.) am Ende der
Abhandlung zu vermeiden.
Zusätzliche und weiterreichende Bemerkungen zu den
einzelnen Amtsinhabern (Kommissare) wären sinnvoll gewesen.
Für bestimmte, heute nicht mehr im allgemeinen
Sprachgebrauch übliche, Begriffe (z. B. Pedell, S. 147) hätte der Autor für
eine kurze Erläuterung (vielleicht als Glossar im Anhang) sorgen
können.
Diese Kritiken, die z. T. unerheblich sind, schmälern
keinesfalls den Stellenwert der Monographie. Deshalb sollen die
abschließenden Sätze diesem Gesichtspunkt - auch als bleibende Einschätzung
- Rechnung tragen.
Wand versteht es, mit seiner Arbeit sowohl den
Bedürfnissen wissenschaftlicher Korrektheit (umfangreicher
Anmerkungsapparat) als auch den Wünschen derer nachhaltig zu entsprechen,
die Geschichte nacherzählt vorfinden möchten. Schwierige Sachfragen werden
in einer für den Laien verständlichen Art und Weise vermittelt. Man bemerkt,
daß das Schreiben dem Bearbeiter relativ leicht von der Hand ging; man spürt
regelrecht die Freude, die dieser bei der Abfassung empfunden hat. Dieses
kann nur aufkommen, wenn der Themenkomplex vollständig durchdrungen worden
ist.
Nicht abzustreiten ist seine These, daß das Amt des
Bischöflichen Kommissarius für den Prozeß der Eichsfeldwerdung, d. h. für
die Herausbildung eines eichsfeldischen Bewußtseins, eine nicht unerhebliche
Bedeutung einnahm und einnimmt (S. 15).
Wenn diese Ausgangsformulierung als Motto der gesamten
Abhandlung verstanden wird und nachträglich dem Leser bewußt bleibt, dann
hat sich die hier rezensierte Studie mehr als gelohnt.
Das Buch stellt eine wertvolle Ergänzung für die
eichsfeldische Landeskunde dar; dies wird nicht zuletzt dadurch deutlich,
daß es bereits im Frühsommer 2000 in der zweiten Auflage erschienen ist.
Maik Pinkert (Heiligenstadt im November
2000).
|